Urheberrecht: Neue Verpflichtung für Verlage

Ab Mitte 2022 sind Verlage jährlich verpflichtet, Auskünfte über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile zu erteilen. Reichweite und Umfang dieser anlasslosen Auskunftspflicht gegenüber Urhebern werden noch zu Diskussionen führen. Dirk Platte, VDZ-Justitiar und Geschäftsführer Fachverband Konfessionelle Presse erläutert die Hintergründe | erschienen in PRINT&more 4/2021

Das am 7. Juni 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie sieht in § 32d Abs. 1 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) eine anlasslose jährliche Auskunftspflicht für die Vertragspartner von Urhebern vor. Im Vergleich zum bislang nach § 32d alter Fassung geltenden Auskunftsanspruch, den der einzelne Urheber zunächst gegenüber dem Verwerter geltend machen musste, werden die Pflichten für Verwerter erheblich ausgeweitet. Der Gesetzgeber geht von einer „automatischen Unterrichtung“ der Urheber durch die Verwerter aus, die mindestens einmal jährlich zu erfolgen hat und dann den vorangegangenen Zwölfmonatszeitraum umfasst. Mit § 36d UrhG hat der Gesetzgeber die Auskunftspflicht zudem so geregelt, dass nicht nur einzelne Urheber, sondern auch Urhebervereinigungen auf Verstöße gegen die Auskunftspflicht reagieren können.

Presseverlage stellt diese weitreichende Auskunftspflicht vor eine große Herausforderung, da sie mit zahlreichen Urhebern zusammenarbeiten, die eine Vielzahl von Werken schaffen, über die dann potenziell Auskunft zu erteilen sein könnte. Es ist deshalb für Presseverlage wichtig zu wissen, in welchem Umfang konkret die Auskunftspflicht besteht. VDZ und BDZV haben dazu Rechtsanwalt Dr. Martin Soppe von Osborne Clarke gebeten, die Reichweite und den Umfang der Auskunftspflicht zu untersuchen. Wichtig ist, dass es für diese Neuregelung bislang weder Rechtsprechung noch juristische Kommentarliteratur gibt. Nur teilweise kann zum besseren Verständnis auf die Vorläuferregelung eines vom Urheber geltend zu machenden Auskunftsanspruchs zurückgegriffen werden.

Eine Begrenzung der Auskunftsverpflichtung kann sich ergeben (a) hinsichtlich des Kreises der Auskunftsberechtigten, (b) hinsichtlich der zu erteilenden Informationen und (c) aufgrund der gesetzlichen Ausschlusstatbestände.

a | Grenzen hinsichtlich des Kreises der Auskunftsberechtigten: Es braucht keine Auskunft an Journalisten erteilt zu werden, die selbst keine urheberrechtlichen Werke schaffen, indem sie z. B. ausschließlich redaktionelle Planungsleistungen erbringen oder lediglich Rechercheergebnisse zuliefern. Ferner besteht keine Auskunftspflicht gegenüber allen außerhalb der Redaktion beschäftigten Mitarbeitern eines Verlages. Bei angestellten Redaktionsmitarbeitern sollte eine Auskunftspflicht dann nicht in Betracht kommen, wenn sich ihre Vergütung nach den Redakteurs-tarifverträgen richtet. Allenfalls denkbar wäre eine Auskunftspflicht, wenn die Werke der Redakteure in einer bei Vertragsschluss nicht bekannten Nutzungsart verwertet würden.

b | Grenzen hinsichtlich der zu erteilenden Informationen: Der Auskunftsanspruch wird vom Gesetz zugunsten des Auskunftspflichtigen auf die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs üblicherweise vorhandenen Informationen beschränkt. Daraus dürfte sich folgern lassen, dass Auskunft vielfach nur über die im Verlag ohnehin vorhandenen Vertriebs- und Lizenzzahlen zu erteilen ist. Die vom Gesetz geforderte Auskunft über den Umfang der Werknutzung wird die Angabe umfassen, in welchen Medien bzw. auf welchen Kanälen ein Verlag das Werk genutzt hat, wie oft dies geschah und welche Auflagen- bzw. Abrufzahlen das jeweilige Werk bzw. die (gedruckte oder digitale) Ausgabe, in denen es enthalten ist, verzeichnen. Bei den aus der Werknutzung gezogenen Erträgen und Vorteilen geht es um die der Werknutzung zuordenbaren (Brutto-)Vertriebserlöse und Lizenzeinnahmen; Anzeigen- und Werbeerlöse sind hiervon nicht umfasst, zumal sich diese schon aufgrund des Trennungsgebots nicht einzelnen journalistischen Beiträgen zuordnen lassen werden.

c | Grenzen aufgrund der gesetzlichen Ausschlusstatbestände: Daneben ist die Auskunft gemäß § 32d Abs. 2 UrhG ausgeschlossen, soweit eine Nachrangigkeit des Beitrages (Nr. 1) oder die Unverhältnismäßigkeit der Auskunft (Nr. 2) vorliegt, wobei die Auskunftspflicht entfällt, wenn auch nur einer der beiden Ausschlusstatbestände verwirklicht ist.

Der Ausschlusstatbestand der Nachrangigkeit grenzt dabei die Auskunftspflicht eines Verlages gegenüber den Urhebern weiter ein, weil nur wenige Beiträge den Gesamteindruck eines gedruckten oder digitalen Presseerzeugnisses prägen werden. Das wird man regelmäßig nur beim Titelfoto, großen Aufmachern und gegebenenfalls einigen wenigen weiteren Beiträgen annehmen können.

Der Ausschlusstatbestand der Unverhältnismäßigkeit liegt insbesondere vor, wenn der Aufwand für die (systematische) Auskunftserteilung außer Verhältnis zu den Einnahmen steht. Der Gesetzgeber erkennt also, dass bei einer Vielzahl an Mitwirkenden und jeweils kleinteiligen Nutzungshandlungen wie in Presseverlagen eine Auskunft in vielen Fällen unverhältnismäßig sein wird.

Aufbau einer Auskunftsinfrastruktur

Für Presseverlage als Auskunftspflichtige dürfte es nunmehr um die (technische) Ausarbeitung einer Auskunftsinfrastruktur gehen, die einerseits die zu erteilenden Informationen erfasst, andererseits anhand bestimmter Kriterien filtert, was etwa aufgrund eines der obigen Ausschlusstatbestände nicht unter die Auskunfts-pflicht fällt, und das Ergebnis schließlich für die dem Urheber zu erteilende Auskunft zusammenfasst. Welche Kriterien sich für eine solche (automatisierte) Ausfilterung nicht zu erteilender Auskünfte am besten eignen (z. B. Zeichenlänge, Platzierung und Größe eines Fotos etc.), wäre gegebenenfalls gesondert zu prüfen. Auch für die Entwicklung einer solchen Auskunftsinfrastruktur und die Auswahl der Filterkriterien gilt gemäß § 32d Abs. 1 Nr. 2, dass dies nicht zu unverhältnismäßigem Aufwand aufseiten des Verwerters führen darf.

Zeitlicher Anwendungsbereich

Der zeitliche Anwendungsbereich der Norm ist so gestaltet, dass das Gesetz grundsätzlich für alle ab dem 7. Juni 2021 geschlossenen Verträge („Neuverträge“) gilt und somit die erste jährliche Auskunft spätestens am 7. Juni 2022 erteilt werden muss. Für vor dem 7. Juni 2021 geschlossene „Altverträge“ ergibt sich aus der Übergangsvorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 1, dass erst ab dem 7. Juni 2023 Auskunft zu erteilen ist in Bezug auf Nutzungshandlungen und Einnahmen ab dem dort genannten Übergangsstichtag 7. Juni 2022.

Das Gutachten erschien zudem in der Dezemberausgabe der „AfP – Archiv für Presserecht“.

erschienen in PRINT&more 4/2021 // Autor: Dirk Platte, VDZ-Justitiar, Geschäftsführer Fachverband Konfessionelle Presse

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